Bündnis bezahlbarer Wohnraum

Das Bündnis hat am 1.Mai 2020 eine Rede vor dem Landtag gehalten! Die Aktion passierte natürlich mit Masken, Abstand und kleiner Teilnehmerzahl.

Die Rede möchten wir hier mit Euch teilen, Ihr findet die Rede plus Bilder auch HIER:

Liebe Kolleg*innen,
Liebe Mieter*innen,

Wir erleben derzeit eine der schwersten Krisen seit Jahrzehnten. Die staatlichen Maßnahmen, die zur Eindämmung der Corona-Pandemie ergriffen wurden, haben auch in Düsseldorf zu einem weitgehenden Stillstand des gesellschaftlichen Lebens und der wirtschaftlichen Aktivitäten geführt. Die Folgen sind noch kaum überschaubar, weltweit sind Millionen Menschen bereits in existentielle Notlagen geraten und es werden noch mehr werden.

Die Krise macht dabei vielen Menschen deutlich, welche zentralen Elemente sie konkret für die Daseinsvorsorge benötigen und dabei spielt die eigene Wohnung eine ähnliche Rolle wie der Zugang zur Gesundheitsversorgung oder zu Gütern des täglichen Bedarfs. Bisher war Wohnen vor allem ein Spiel der Marktkräfte und der Logik des Profits unterworfen. Gerade jetzt in der Krise erweist sich dies nicht nur als schwerer Fehler, es ist für viele Menschen zum tödlichen Risiko geworden!

Angesichts der Gesundheitsrisiken, die mit der Corona-Pandemie einhergehen, sind die Menschen auf die Wohnung als elementarem Schutz- und Rückzugsraum existentiell angewiesen – und zwar noch weit stärker als das bisher ohnehin der Fall war. Vorrangig muss es darum gehen, dass besonders Schutzbedürftige wie Obdach- und Wohnungslose überhaupt Zugang zu einer eigenen Wohnung erhalten. Noch drängender als sonst stellen sich darüber hinaus besonders für Menschen, die unter Armut, geringen Einkommen und prekären Beschäftigungsverhältnissen leiden, die Fragen nach bezahlbarem, nach bedürfnisgerechtem und nach sicherem Wohnraum, aus dem man nicht einfach hinausgedrängt werden kann. Zu kleine und schlecht ausgestattete Wohnungen können bei Ausgangsbeschränkungen wie jetzt zur Falle werden, die häusliche Gewalt begünstigt, weil Ausweich- und Rückzugsmöglichkeiten fehlen.

Wohnraum ist ein elementarer Bestandteil der Daseinsvorsorge und muss daher der Markt- und Profitlogik entzogen werden! Wohnen darf keine Ware sein, die auf Märkten gehandelt wird, mit der man spekulieren und aus der man Profit schlagen kann. Wir haben mit Artikel 15 Grundgesetz die Möglichkeit, im Interesse der Allgemeinheit notwendige Kernbereiche der Wirtschaft in Gemeineigentum zu überführen – sprich zu vergesellschaften bzw. zu enteignen und sollten diese endlich nutzen. Wann, wenn nicht jetzt?!

Millionen Menschen werden ihren Job verlieren, Freiberufler*innen, Kulturschaffende oder Kleingewerbetreibende sind in akuter Not, viele haben durch Kurzarbeit deutlich geringere Einkommen und können ihre Miete nicht mehr zahlen. Im April waren bereits 1,63 Millionen Haushalte davon betroffen! Und wir müssen davon ausgehen, dass diese Zahl noch weiter drastisch steigen wird. Bundestag und Bundesrat haben beschlossen, dass coronabedingte Mietrückstände aus dem Zeitraum April bis Juni 2020 kein Grund für die Kündigung eines Mietverhältnisses sein dürfen. Kündigungen wegen Eigenbedarf sind allerdings weiterhin möglich! Zwangsräumungen werden während der Corona-Krise nicht ausdrücklich untersagt, sind aber inzwischen wiederholt durch Gerichtsbeschlüsse verhindert worden.

Aber: Mit der befristeten Aussetzung des Kündigungsrechts der Vermieter ist ausdrücklich kein Mieterlass verbunden! Mieter*innen bleiben weiter zur vollständigen Zahlung der Miete verpflichtet! Es wird ihnen lediglich eine Frist bis Ende Juni 2022 eingeräumt, Mietrückstände auszugleichen. Es ist jetzt schon absehbar, dass die bis dahin aufgelaufenen Summen viele Haushalte überfordern und in finanzielle Krisen stürzen werden. Wer seine Miete also aktuell nicht zahlen kann, dem darf zwar nicht gekündigt werden, die Schulden dürfen aber weiterhin vollstreckt werden. Verbunden damit könnten auch Vollstreckungsmaßnahmen wie Pfändungen von Löhnen und Bankkonten sein. Deswegen muss dringend über einen teilweisen oder vollständigen Mieterlass nachgedacht werden! Es kann nicht sein, dass die aktuelle Krise zu eine Überschuldung von Mieter*innen führt.

Gleichzeitig haben nämlich die großen Wohnungskonzerne wie LEG, Deutsche Wohnen oder Vonovia im zurückliegenden Jahr glänzende Geschäfte gemacht. Durch die Mietzahlungspflicht können sie auch weiterhin mit guten Gewinnen und die Aktionäre mit üppigen Dividenden rechnen. Vonovia hat z.B. seinen Gewinn im letzten Jahr deutlich auf 1,2 Mrd. Euro steigern und seinen Anlegern höhere Dividenden ausschütten können. Zugleich werden von der Immobilienlobby bereits Forderungen laut, Vermieter*innen und Wohnungsunternehmen, die durch ausbleibende Mietzahlungen in Schwierigkeiten geraten sein sollen, mit öffentlichen Mitteln und Steuererleichterungen zur Hilfe zu kommen. Die Wohnungskonzerne können derzeit also weiterhin sichere Gewinne einfahren. Mieter*innen müssen weiterhin zahlen und wenn die Konzerne in schwierigkeiten geraten sollten, dann könnte es staatliche Unterstützungen geben. Wir halten all das für einen untragbaren Zustand Wir fordern, dass vor allem die großen Wohnungskonzerne, die sich im Immobilienboom des letzten Jahrzehnts eine goldene Nase verdient haben, zur Bewältigung der Krisenfolgen auf dem Wohnungsmarkt herangezogen werden!

Wir begrüßen es, dass die Stadt Düsseldorf Hotels angemietet hat, um wohnungslosen Menschen eine angemessene Unterkunft zu verschaffen. Aber wir fragen auch, warum erst eine Krise wie jetzt nötig war, um das möglich zu machen! Wir werden uns als Bündnis dafür einsetzen, dass die Stadt sinnvolle Maßnahmen wie diese nach der Krise nicht wieder zurücknimmt! Und wir wollen festhalten, dass man in Düsseldorf mit der Beschlagnahmung der rund. 20.000 leerstehenden und zweckentfremdet kurzeitig vermieteten Ferienwohnungen auf sämtliche Sammelunterkünfte für Geflüchtete und wohnungslose Menschen verzichten könnte.

Wenn in der derzeitigen Krise etwas deutlich geworden ist, dann wie existentiell wichtig das Recht auf Wohnen ist. Wohnen darf keine Ware sein! Wohnen muss dem Spiel der Marktkräfte und der Logik des Profits entzogen werden! Es gibt ein Recht auf Wohnen – aber ganz sicher kein Recht auf Rendite!

#ERSTER MAI 2020

Liebe Oberbilker*innen,

wir hoffen, Euch geht es allen gut.

Diese Zeiten erfordern kreative Lösungen und können auch als Lernprozess gesehen werden. Das finden und entwickeln alternativer (Beteiligungs-) Formate und Kommunikationsformen ist für viele neu.

So war auch der 1.Mai 2020 anders und forderte Kreativität!

Zum ersten Mal in der Geschichte haben keine Kundgebungen am 1. Mai stattgefunden dafür aber verschiedene tolle und solidarische alternative Aktionen:

Arbeit und Leben NRW hat mit einer Fotoaktion Aktivisten und Aktivistinnen aufgefordert Solidarität zu zeigen und die Ergebnisse findet Ihr hier!

Wir hoffen auf ein baldiges Wiedersehen!

Bis dahin wünschen wir Euch alles Gute, Gesundheit, Durchhaltevermögen und Kreativität.

PS: Vielleicht habt auch Ihr Ideen für Aktionen im Lockdown, die Ihr gerne teilen mögt? Dann einfach kommentieren oder uns auf Facebook mitteilen!

Virtueller Stadtspaziergang anlässlich des Housing Action Day durch Oberbilk

https://www.facebook.com/events/255198012313845/

Liebe Oberbilkerinnen und Oberbilker,

In Düsseldorf war anlässlich des Housing Action Days am 28.03.2020 ein investorenkritischer Spaziergang durch Düsseldorf-Oberbilk geplant. Da dieser abgesagt werden musste, wird nun im Internet ein virtueller Rundgang stattfinden. Am Samstag veröffentlichen wir um 13 Uhr den Link zum virtuellen Spaziergang.

Bleibt alle gesund!

Housing Action Day

Eine nichtgehaltene Rede: „Oberbilk im Visier von Immobilieninvestoren“

Liebe Oberbilkerinnen und Oberbilker,


Corona überschattet derzeit alles. Aber Corona ist nicht alles. Morgen hätte eigentlich der „Housing Action Day“ stattfinden sollen, zu dem nicht nur bundes-, sondern europaweit wohnungspolitische Initiativen aufgerufen haben. Wegen der Corona-Kontaktsperre mussten aber alle aushäusigen Aktivitäten abgesagt werden. Das betrifft auch den investorenkritischen Spaziergang durch Oberbilk, zu dem das Düsseldorfer Bündnis für bezahlbaren Wohnraum zusammen mit der Agentur für urbane Unordnung aufgerufen hatten.
Zum Auftakt des Spaziergangs am Oberbilker Dreiecksplätzchen war ein Beitrag geplant, der den Stadtteil in die derzeitige Entwicklung des Düsseldorfer Immobilenmarktes einordnen sollte. Die nichtgehaltene Rede gibt es nun in schriftlicher Form:

Oberbilk im Visier von Immobilieninvestoren



Oberbilk – ein neues Trendquartier?
„Düsseldorfs neue Visitenkarte“, „Leben im Herzen der Stadt“, „Mehr als nur wohnen“. So wirbt Catella, schwedisches Finanzunternehmen und Immobilienentwickler, für sein Projekt „Grand Central“. Auf dem ehemaligen Gelände der Paketpost neben dem Hauptbahnhof sollen ca. 1000 Wohnungen entstehen, auch ein Hotel wird dabei sein. Überhaupt Hotels: Die scheinen derzeit in ganz Düsseldorf, und eben auch in Oberbilk, wie Pilze aus dem Boden zu sprießen. Auf der anderen Seite des Hauptbahnhofs entstehen gleich drei weitere Hotels mit insgesamt 717 Zimmern, im nächsten Jahr sollen sie fertig sein. Der Projektentwickler GBI AG preist sich selbst als „größter aktiver Hotelentwickler in Deutschlands Metropolen“ an und wirbt damit, auch neue Produktideen für „Mikrowohnen“ entwickelt zu haben. Denn neben Hotels sind Mikroapartments, möblierte Kleinstwohnungen zu Höchstpreisen, für Investoren der Anlageschlager mit hohem Renditeversprechen, noch vor hochpreisigen Luxuswohnungen. Obwohl selbst der Branchenverband der Hotelbetreiber bereits vor drohenden Überkapazitäten in Düsseldorf warnt, ist die GBI AG überzeugt, dass der Markt noch mehr Hotels hergibt. Andere Investoren teilen diese optimistische Sicht (die sich allerdings mit der derzeitigen Corona-Krise erheblich eintrüben könnte): Die drei Hotels wurden bereits vor dem Baustart an die DWS Group, einen der weltweit führenden Vermögensverwalter verkauft. Östlich anschließend an das Gelände des geplanten „Grand Central“ ist an der Moskauer Straße der Bau des 438-Zimmer-Hotels von Citygrove, ein international tätiges britisches Immobilien- und Investmentunternehmen, fast fertig. Und weil das immer noch nicht reicht, wird direkt gegenüber noch ein Holiday Inn Express Hotel mit über 450 Zimmern gebaut, angeblich das größte dieser Marke in Kontinentaleuropa (Betreibergesellschaft: Primestar Hotel GmbH zusammen mit UBM Development und Munich Hotel Project.). Aber auch Wohnprojekte sind für Investoren interessant: „Mieten. Wohnen. Mittendrin. Oberbilk gewinnt“ lautet etwa der Werbeslogan der Vivawest GmbH, einem der führenden Wohnungsanbieter in NRW für ihr Projekt „Schöffenhöfe“. 370 Mietwohnungen sind hinter dem Landgericht an der Werdener Straße auf ehemaligem Bahngelände entstanden. Die Liste ließe sich noch weiter fortsetzen.

Noch etwas zögerlich hatte der Gentrifizierungsprozess in Oberbilk in den 1980er Jahren mit der Bebauung des Bertha-von-Suttner-Platzes hinter dem Hauptbahnhof begonnen. Auf dem Gelände des ehemaligen Oberbilker Stahlwerks entstanden zunächst nur Bürogebäude, später kamen einige Wohnungen dazu. Fahrt aufgenommen hatte die bauliche Aufwertung dann Ende der 1990er/Anfang der 2000er Jahre mit der Entwicklung des sogenannten IHZ-Geländes, einer ehemaligen Industriebrache, auf der Wohnungen und Bürogebäude entstanden, darunter die Düsselorfer Zentrale des bedeutenden Wirtschaftsprüfers PriceWaterhouseCoopers (PwC) GmbH. Zu den spektakulären Wohnprojekten dieser Phase gehört das Wohnprojekt „It’s“, inselhaft im Blockinnenbereich zwischen Eller-, Krupp-, und Linien- und Höhenstraße von der Düsseldorfer Gentes Wohnen GmbH auf dem Gelände einer ehemaligen Emaillefabrik, später einem Autoverkaufs- und Auslieferungslager, realisiert. 82 Eigentumswohnungen entstanden hier, mit Wasserflächen, viel Grün und lärmgeschützt dank der bestehende Blockrandbebauung. Das Ganze hat die Anmutung einer Gated Community, einer geschlossenen Wohnanlage mit von außen erreichbarer Tiefgarage, von der aus man dann im Innern per Aufzug zu den Wohnungen gelangt. Der Geschäftsführer von Gentes Wohnen GmbH schwärmt von „Oberbilk als neuem Trendquartier“, das er im Überschwang schon mal mit dem Prenzlauer Berg in Berlin vergleicht.


Oberbilk – der „Hinterhof Düsseldorfs“?
Man reibt sich verwundert die Augen. Oberbilk ein „Trendquartier“ im „Herzen der Stadt“? Ein Standort „mittendrin“, an dem mehr als nur Wohnen möglich ist? Da haben wir aber noch ganz andere Bilder vor Augen und Stimmen im Ohr: Seit seiner Entstehung als Industrie- und Arbeiterviertel Mitte des 19. Jahrhunderts war Oberbilk das „Schmuddelkind“ unter den Quartieren der Stadt. Das bürgerliche Düsseldorf schaute mit einer Mischung aus naserümpfender Ignoranz und Verachtung auf die multikulturelle proletarische Bevölkerung des Stadtteils, die sich mehrheitlich aus Zuwanderern nicht nur aus anderen Teilen Deutschlands, sondern aus ganz Europa zusammensetzte. Oberbilk galt als der „Hinterhof Düsseldorfs“, ein Ruf, der sich bis heute erhalten hat. Es war das „Viertel hinter den Gleisen“, von der übrigen Stadt durch die auf Dämme hochgelegten Bahntrassen wie durch eine chinesische Mauer abgetrennt, so beschreibt es der in Oberbilk geborene Schriftsteller Dieter Forte in seinem Roman „Das Muster“. Oberbilk war eine Welt für sich.

Bis in die 1970er Jahre hatte sich die industrielle Wirtschaftsstruktur des Stadtteils nicht wesentlich verändert. Zur Deckung des Arbeitskräftebedarfs im Nachkriegsboom mussten für die Fabriken in Oberbilk wieder ausländische Arbeitskräfte angeworben werden. Die „Gastarbeiter“ kamen nun aus Italien, Spanien und Griechenland, später aus Jugoslawien und der Türkei. Viele kamen auf der Suche nach besseren Lebens- und Arbeitsbedingungen aus noch entfernteren Regionen, andere mussten als Flüchtlinge ihre Heimat verlassen und fanden in Oberbilk ein neues Zuhause. Viele kamen, um zu bleiben. Das lag auch daran, dass es hier im Vergleich zu anderen Stadtteilen Düsseldorfs noch relativ günstige Wohnungen gab. Die waren im ehemaligen Arbeiterquartier Oberbilk  war meist klein und oft schlecht ausgestattet. Und das Quartier hatte nach wie vor einen schlechten einen schlechten Ruf. Aber aus eben diesen Gründen war Wohnen in Oberbilk auch lange relativ preisgünstig. Das war auch für Studierende der nahegelegenen Düsseldorfer Universität attraktiv, viele wohnten im Quartier. Auch heute gibt es in Oberbilk noch Nischen, in denen auch diejenigen ein innerstädtisches Unterkommen finden, die in anderen Teilen der reichen und teuren Stadt Düsseldorf keine Chance hätten.

Heute leben im Stadtteil Oberbilk rund 30.000 Menschen. Davon haben fast 56 % eine Migrationsgeschichte, weitaus mehr als im gesamtstädtischen Durchschnitt (knapp 42 %, Stand Ende 2018). Die multikulturelle Bevölkerungsmischung wurde in der Außensicht oft mit Kriminalität, Drogenhandel und Gewalt in Verbindung gebracht. Die Konzentration marokkanisch-stämmiger Zuwanderer in einem kleinen Teil des Quartiers zog abwertende und stigmatisierende Bezeichnungen wie „Klein-Marokko“ oder „Maghreb-Viertel“ nach sich. Für ein Ermittlungsprojekt der Polizei im Jahr 2016, in dessen Verlauf mehrere Razzien durchgeführt wurden, hatte man sich sinnigerweise die Bezeichnung „Casablanca“ ausgedacht.


Vom Schmuddelkind zum Objekt der Begierde von Investoren
Wie aber ist es dazu gekommen, dass ausgerechnet der „Hinterhof der Stadt“, das „Schmuddelkind“ unter den Quartieren Düsseldorfs, nun ins Visier von Immobilieninvestoren und Spekulanten geraten ist? In den 1970er Jahren wurde Oberbilk wie andere Industriestandorte in der Region und ganz Deutschland von einem massiven wirtschaftlichen Strukturwandel erfasst. Dieser Strukturwandel hat im Stadtteil zum praktisch vollständigen Verschwinden der Industrie und zum Aufstieg einer neuen Dienstleistungsökonomie geführt.

Die Stadt Düsseldorf gehört im deutschen Städtesystem zu den führenden Standorten mit hochrangigen Funktionen für die globalisierte Weltwirtschaft (u.a. Messe, Wirtschaftsprüfer, spezialisierte Anwaltskanzleien, Werbewirtschaft, Einbindung in die überregionale Verkehrsinfrastruktur). Diese Städte boomen, sie verzeichnen Wanderungsgewinne, die Zahl ihrer Einwohner wächst. Mit München, Berlin, Frankfurt und Hamburg gehört Düsseldorf auch zu den fünf führenden Standorten für Immobilieninvestitionen in Deutschland. Allein im Jahr 2018 wurden in Düsseldorf knapp 4,8 Mrd. € in Immobilien investiert. Das hängt auch damit zusammen, dass nach der Finanzkrise von 2008 und der Niedrigzinspolitik der Zentralbanken die Finanzwirtschaft unter erheblichem Druck stand, rentierliche Anlagemöglichkeiten für überschüssiges Kapital zu finden. Der Immobiliensektor wurde für Investoren zum Retter aus dem „Anlagenotstand“. Auch der Düsseldorfer Immobilienmarkt geriet bald in den Fokus von Finanzinvestoren. Die Folge: Seit 2008 sind dramatische Preissteigerungen zwischen 60 -70% für Grundstücke, Gebäude und Eigentumswohnungen zu verzeichnen. Und davon ist auch der Mietwohnungsmarkt betroffen, Oberbilk macht davon keine Ausnahme. Steigende und für immer mehr Menschen nicht mehr bezahlbare Mieten sind die Folge.

Im Stadtraum sind für Investoren gerade die Standorte besonders interessant, die aus ihrer Sicht untergenutzt sind. Nach ihrer Meinung könnte man dort, gemessen an der aktuellen Nutzung, deutlich höhere Renditen erzielen. Auch die Düsseldorfer Stadtentwicklungspolitik sieht in den innenstadtnahen Quartieren das größte Potenzial für die künftige Expansion der Stadt, sowohl was die Zunahme der Einwohnerzahl auch was den weiteren Bedeutungsgewinn der hochrangigen Dienstleistungen betrifft. In den an die Innenstadt angrenzenden Stadteilen seien die Freiräume gegeben, die für die in Zukunft erwarteten großen Umbrüche benötigt würden.

Und hier kommt Oberbilk ins Spiel! Gemessen an seinem Potential wird der Stadtteil aus Investorensicht deutlich unter seinen Möglichketen genutzt: Aus Oberbilk könnte man mehr machen, sagen sie. Die Standortvorteile des Quartiers liegen dabei auf der Hand: Oberbilk liegt innenstadtnah, ist mit U-Bahn, S-Bahn und Stadtbahnen hervorragend in das städtische Verkehrsnetz eingebunden. Mit dem Hauptbahnhof besteht ein direkter Anschluss an die überregionalen Bahnverbindungen sowie eine schnelle Verbindung zum Flughafen. Im Zuge der Deindustrialisierung waren die ausgedehnten Industrieflächen des Stadtteils zu Industriebrachen geworden. Und genau dadurch wurden sie in dem nun schon über 10 Jahre andauernden Immobilienboom zu begehrten Objekten für Investoren und Spekulanten, die hier die Chance sahen, lukrative neue Nutzungen zu etablieren. 

Diese Entwicklung hat auf dem Immobilienmarkt zu erheblichen Wertsteigerungen geführt. Davon sind auch die Bestandswohnungen im Quartier nicht unberührt geblieben. Die Spekulation von Immobilieninvestoren, in Oberbilk ließen sich Renditen erzielen, die deutlich über den bisher im Stadtteil üblichen Margen liegen, hat nicht bei den Industriebrachen Halt gemacht und ist nicht auf Neubauten beschränkt geblieben. Es wird zunehmend auch in den existierenden Wohnungsbestand investiert: Privaten Hauseigentümern werden Kaufangebote gemacht, die sie kaum ablehnen können. In der Folge kommt es dann zu Modernisierungen und Mieterhöhungen, oft aber auch zu Wohnungsumwandlungen und dem lukrativen Verkauf als Eigentumswohnungen. Bisherige Mieter werden hinausgedrängt, können vielfach die höheren Mieten nicht mehr zahlen und sind oft zum Umzug in andere Teile der Stadt oder ins Umland gezwungen, weil innerstädtisch kaum noch bezahlbarer Wohnraum zu finden ist. Damit werden gewachsene soziale Netze zerrissen und ein wichtiges Element der Lebensqualität im Quartier gerät in Gefahr.

Wird der derzeitigen Entwicklung nicht Einhalt geboten, werden sich bald nur noch Haushalte mit höheren Einkommen innerstädtisches Wohnen leisten können. Die sozial und kulturell gemischte Bevölkerungsstruktur Oberbilks gerät damit unter starken Druck, längerfristig könnte sie sogar ganz verschwinden. Das wäre nicht nur ein Verlust für Oberbilk, es wäre ein Verlust für ganz Düsseldorf. Denn es ginge der lebendige und kreative Charakter eines Stadtteils mit einer sozial und kulturell gemischten Bevölkerung verloren, ein Stadtteil, in dem immer wieder neue Wege und Formen erprobt werden, wie das gedeihliche Zusammenleben einer heterogenen Bevölkerung trotz aller Hindernisse gelingen kann. Oberbilk könnte in dieser Hinsicht sogar ein Vorbild für andere Quartiere und Städte sein. Das von dem Bündnis „Wohnen bleiben im Viertel“ gestartete Bürgerbegehren, mit dem der Erlass von Milieuschutzsatzungen in Düsseldorf erreicht werden soll, hat zum Ziel, der Verdrängung von langjährigen BewohnerInnen des Quartiers etwas entgegenzusetzen und so die gewachsenen sozialen Strukturen zu schützen. Für Oberbilk wäre eine solche Milieuschutzsatzung ausgesprochen wichtig, eine nachhaltig wirksame Lösung kann man davon allerdings nicht erwarten.

Dafür wird es nötig sein, dass sich die BewohnerInnen des Stadtteils lauter und vernehmlicher als bisher mit ihrem Anliegen Gehör verschaffen: In einer städtischen Umwelt zu leben, die in erster Linie für die Menschen da ist, und nicht nur Mittel zum Zweck sein darf, immer höhere Renditen zu erwirtschaften. Das Kalkül von Investoren und Spekulanten, Oberbilk durch die Verdrängung weniger zahlungskräftiger Bevölkerungsgruppen in ein hochpreisiges Quartier zu verwandeln, das sich nur noch Besserverdienende und Reiche leisten können, darf nicht aufgehen!


Helmut Schneider (28.3. 2020)



Runder Tisch Oberbilk

Liebe Oberbilker*innen,

wir hoffen, Euch geht es allen gut.

Das für morgen angesetzte Treffen des Runden Tisches Oberbilk findet natürlich aufgrund der aktuellen Situation nicht statt.

Wir hoffen, dass wir uns alle bald persönlich wiedersehen können bei gemeinsamen Aktionen rund um unseren Stadtteil.

Bis dahin sind wir natürlich telefonisch und per Mail erreichbar.

Da der Termin abgesagt werden musste haben wir hier noch einen Beitrag zu dem rassistischen Anschlag in Hanau! Der Anschlag hätte eigentlich (Mit-)Thema sein sollen:

Bleibt gesund!

#stayathome

Liebe Oberbilkerinnen und Oberbilker,

aufgrund der Pandemie sind nahezu alle Veranstaltungen abgesagt, bitte informiert Euch bei den Veranstaltungsorten aber bleibt am besten zuhause!

Informationen zu COVID-19, in verschiedenen Sprachen, gibt es hier:

https://www.frnrw.de/aktuell/artikel/f/r/mehrsprachiges-infomaterial-zum-coronavirus.html

Und eine Hotline für Personen, welche zur Risikogruppe zählen und keine Absicherung organisieren können, gibt es hier: 0211/8998999

Auch gibt es eine Nachbarschaftshilfe:

https://duesseldorf.solidarische-nachbarschaft.de/?lp_s_loc=80&lp_s_tag=&lp_s_cat=&s=home&post_type=listing

Bleibt gesund!!!

DING DONG! Wir sind’s das Investitionsrisiko.

Liebe Oberbilkerinnen und Oberbilker,

das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum lädt am „Internationalen Housing Action Day“ zum Investorenkritischer Spaziergang durch Oberbilk!

„Von Berlin über Bologna bis nach Barcelona: In vielen europäischen Städten steigen die Mieten und Wohnraum wird knapp. Deswegen haben wir uns für den 28. März 2020 mit Aktivist*innen und Mieter*innen in ganz Europa dazu verabredet, gemeinsam gegen den immer krasser werdenden Mietenwahnsinn zu protestieren!

Hier in Düsseldorf laden wir zu einem Spaziergang durch Oberbilk ein. Wir besichtigen Häuser, an denen besonders miese Investor*innen versuchen ihre Profitinteressen durchzusetzen: Zwangsräumung, erzwungener Leerstand, Modernisierungen und überteuerte Neuvermietungen, AirBnB Abzocke & Mikroappartements – alle wohnraumfressenden Strategien des Kapitals sind in Oberbilk auf engstem Raum zu finden. Investor*innen und Eigentümer*innen wie Halfin von der HMS II, Lodde Immobilien, Akelius oder homefully stehen exemplarisch für einen kapitalistisch organisierten Wohnungsmarkt, der sich nicht für die Bedürfnisse und Rechte der Mieter*innen und Menschen dieser Stadt interessiert. Ursächlich für die asoziale Praxis von einzelnen Investoren und Konzernen ist die kapitalistische Logik, die die Regeln und den Zweck des Marktes bestimmt: Es geht ausschließlich um Profit. Wer über die unmenschlichen Geschäftspraktiken von Investor*innen berichtet, muss mit Abmahnschreiben ihrer Anwält*innen rechnen. Denn der Immobilienmarkt macht seine Geschäfte gern im Verborgenen und möchte nicht dabei gestört werden. Doch genau das wollen wir tun. Denn unser Protest ist ihr Investitionsrisiko. Wehren wir uns gemeinsam gegen ihre Verdrängung, Verteuerung und Spekulationen. Legen wir die hässlichen kapitalistischen Praktiken auf dem Wohnungsmarkt offen. Zusammen wollen wir betroffene
Objekte aufsuchen, informieren und protestieren. Es ist an der Zeit, der neoliberalen Stadtpolitik gemeinsam die Stirn zu bieten.

Kommt mit uns zum Spaziergang durch Oberbilk.
Lasst uns Verbündete werden für ein Recht auf Stadt!“

PS: Save the date! Am 30.04. wollen wir wieder zusammen für eine rebellische Stadt auf die Straße.

Was ist Luxus?

Liebe Oberbilkerinnen und Oberbilker,

Was ist Luxus? Unterwegs zwischen Kö und Kölner Straße!

Ein Gourmetrestaurant, ein Beautysalon, der Delikatessenladen: in den reichen Vierteln zeigen sich Luxus und die, die sich ihn leisten. Nur wenige U-Bahn-Stationen entfernt wohnen Arbeitslosigkeit und Armut. Luxus wird hier anders definiert.

Für alle Interessierten gibt es hier nochmal den Link zum WDR Beitrag:

https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/dok5/was-ist-luxus-100.html

Der Beitrag wurde am 15 und 16.02.2020 ausgestrahlt und ist ab jetzt in der Mediathek!

Unterschriftensammlung für Milieuschutzsatzungen – Düsseldorfer Bürgerbegehren startet



Liebe Oberbilkerinnen und Oberbilker,

das Bürgerbegehren „Wohnen bleiben im Viertel“ sammelt ab sofort Unterschriften zur Einführung von Milieuschutzsatzungen in 13 Wohnvierteln in Düsseldorf. Unterstützt wird das Bürgerbegehren von mittlerweile 36 Organisationen. 

Der Start war bereits vor einigen Wochen angekündigt worden. Er hat sich verzögert, da die von der Stadt vorzulegende Kostenschätzung erst jetzt geliefert wurde. Nun kann es aber losgehen.

Die Unterschriftenlisten werden zunächst über die unterstützenden Organisationen und bei diversen Veranstaltungen verteilt. Alle Interessierten können Unterschriftenlisten auch auf der Homepage www.wohnen-bleiben-im-viertel.de herunter laden und selbst ausdrucken. Die ausgefüllten Listen werden dann in der Galerie von fiftyfifty, Jägerstraße 15, 40231 Düsseldorf gesammelt.

„Als wir vor einigen Tagen mit unserem Vorhaben an die Öffentlichkeit gegangen sind, war die Nachfrage nach unseren Unterschriftenlisten groß. Daher sind wir davon überzeugt, dass wir in kurzer Zeit genügend Unterschriften sammeln, um den Bürgerentscheid zusammen mit der Kommunalwahl durchführen zu können. Das würde auch den finanziellen Aufwand für die Stadt reduzieren. 

Mit den Satzungen wollen wir erreichen, dass die Düsseldorfer*innen nicht durch überteuerte Modernisierung und anschließender Mietsteigerung aus ihren Vierteln vertrieben werden“, erläutert Ben Klar, einer der Vertretungsberechtigten. „Unser Ziel ist es, mindestens 16.000 Unterschriften zu sammeln, um anschließend einen Bürgerentscheid durchzuführen. Mit einem erfolgreichen Bürgerentscheid müssen Stadtverwaltung und Rat die entsprechenden Satzungen erlassen.“

Barbara Wolf, eine weitere Vertretungsberechtigte, kritisiert die bisherige Wohnungspolitik: „Mit der Losung `bauen, bauen, bauen´ haben Politik und Verwaltung die Bestandsmieter vergessen. In vielen Wohngebieten steigen durch – oft überflüssige – Modernisierungsmaßnahmen die Mieten so stark, dass die Menschen sich die Wohnungen nicht mehr leisten können. Dem kann mit Milieuschutzsatzungen ein legaler Riegel vorgeschoben werden. Städte wie Hamburg, Berlin und München haben damit schon seit Jahrzehnten gute Erfahrungen gemacht.“